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Wohnhauserweiterung bei Freising


Wie kann man da nur wohnen?
Das Haus duckt sich in die Landschaft wie ein Tier. Es formt den Hügel nach, auf dem es liegt, das Dach schnörkellos, die Wände aus Beton. Eine Treppe verbindet zwei Ebenen. Oben der Eingang mit Flur, der sich zu einer Balustrade über dem Wohnraum weitet. Unten 50 Quadratmeter offene Küche und Wohnen, dazu Bad, Ankleide- und Schlafzimmer.

Die Aussicht nach Süden ist besonders einladend, das Gelände fällt zum Ampertal ab. Seine Lage bei Freising mag dem einstigen Ferienhaus seinen Reiz verliehen haben, als noch nicht jeder gleich in den Flieger stieg, sondern auf dem Land Erholung suchte.

1968 vom Münchner Architekten Bernhard Furtwängler errichtet, versprüht es den Charme seiner Zeit: Sichtbeton, große Gemeinschaftsräume und winzige Rückzugszimmer, außerdem Kammern, die man keinem Gast mehr zumuten möchte. Das hat dem Haus zu schaffen gemacht, es war zunächst unverkäuflich, trotz seines großen Gartens. Der Betonkasten schreckte Familien und mögliche Käufer ab. Zu klein, zu verschachtelt, zu sehr der Achtundsechziger Generation treu. Bis die neuen Besitzer kamen, eine Familie mit Ideen.
Wo andere nur Beton gesehen hatten, sahen sie Chancen.
"Wie kann man da nur wohnen?", hatten Nachbarn gesagt.
Die Bauherren aber hatten sich in das Haus mit seiner Empore über dem großen Wohnraum verliebt, nur etwas Platz fehlte, zum Beispiel ein großzügiges Kinderzimmer.

Da war es Zeit für den großen Auftritt von A2architekten.
Statt das Haus zu entkernen und vollständig umzukrempeln,
schlugen die Freisinger Architekten vor, es schrittweise zu erweitern. 2001 entwarfen sie einen hölzernen Anbau zur Rechten, drei Jahre später ein Pendant zur Linken, wie zwei Hanteln, die an den steinernen Hauptkörper angeschraubt wurden.

Zuvor musste die Betonsäge ran. Zentnerschwere Teile fielen aus der Fassade, die Durchgänge zu den Anbauten. Erst fiel der Freisitz mit seinem Betonkamin. "Der sah sehr nach Le Corbusier aus", sagt der Bauherr. Dann entstand auf der frei geräumten Terrasse ein Turm aus Ziegeln und Lärche mit großen Fensterfronten nach Süden, Balkon, verzinktem Geländer und Sonnenschutz. 41 Quadratmeter Wohnraum, je zur Hälfte Kinderzimmer und Nebenräume.

Da das so gut geklappt hatte, rückte 2004 der Kranwagen an. Auf seiner Ladefläche stand der komplette zweite Anbau auf der Westseite. Über die Robinie des Vorhofs schwebte das in der Fabrik gefertigte Holzhaus punktgenau an die Fassade - ein zweites Kinderzimmer, hell und luftig.
Alt und Neu sind klar gegeneinander abgegrenzt.
Architekt Reiner Roth hat das Haus zu einem Ensemble weitergedacht. "Was für ein schönes Dokument der Zeit", begeistert sich der Freisinger Architekt, "toll, was der Vorgänger gebaut hat".

Weniger toll war der Energieverbrauch des Oldtimers, immer mehr Schwachstellen tauchten auf. Das Dach und die großen Schiebetüren aus Aluminium ließen Wärme ungehemmt nach draußen, Öl war damals billig, und keiner dachte an Wärmedämmung.

Architekt und Bauherren hätten das Haus komplett ummodeln müssen, konzentrierten sich aber lieber auf sinnvolle Maßnahmen, um die Energiebilanz zu verbessern. Dazu gehört, dass die Anbauten mit ihren begrünten Dächern wie Sonnenkollektoren wirken und Wärme aufnehmen. "Wenn die südorientierten Fassaden verglast und alle weiteren Fassaden und Dachflächen gut gedämmt sind, dann wirkt ein Haus wie eine Wärmefalle", sagt der Architekt, "besonders wichtig ist dabei der Sonnenschutz, in diesem Fall haben wir das durch einen vorgehängten Balkon gelöst."

Weitere Energiesparmaßnahmen waren die vollständige Dachsanierung des Altbaus mit Wärmedämmung und vor allem verbesserter Winddichtung. Dazu hatten A2architekten einen so genannten Blower-Door-Test durchgeführt. Das funktioniert so: Anstelle der Haustüre wird eine Art Vorhang mit Turbine eingebaut, an das System angeschlossen ist ein Laptop.
Dann wird die Turbine angeworfen und das Haus aufgeblasen. Anhand des Druckabfalls lässt sich erkennen, wie undicht das Haus ist.

Das Haupthaus hat seine Vergangenheit behalten. Der Sichtbeton ist innen zwar gestrichen, der dunkle Fußboden ausgetauscht und das Dach abgedichtet. Trotzdem blieb der Charakter bestehen: Weiterbauen hat etwas mit Respekt zu tun. Mit der Erkenntnis, dass nicht alles ewig hält, aber auch nicht alles abzubrechen ist, nur weil es alt ist. Das wachsende Haus besinnt sich auf die Vorzüge des Bestandes, den geschützten Vorhof gegenüber dem Eingang etwa, mit seinen zwei hölzernen Wächterfiguren unter dem Hausbau.
Ein wesentliches Charakteristikum ist nach wie vor der große Gemeinschaftsraum mit Blick auf die Landschaft.
In der Gemeinde ist etwas passiert, das viele Architekten und Bauexperten für die Zukunft prognostizieren: Weiterbauen im Bestand statt brutalem Abriss.

Autor: Dr. Oliver Herwig, in: Süddeutsche Zeitung vom 28.03.2006, Reihe „Besser Bauen“

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